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15 November 2023

Schmerztherapie bei geriatrischen Patienten

Im Zuge des demografischen Wandels kommt es zu einer Zunahme des Altersgipfels in Europa. Damit steigt auch die Zahl der multimorbiden geriatrischen Patienten mit chronischen Schmerzen an. Worauf bei dieser Gruppe geachtet werden sollte, wie eine optimale Schmerzbeurteilung bei geriatrischen und dementen Patienten erfolgen kann und warum ein Assessment den Weg zum Erfolg ebnen kann, erklärt OÄ Dr. Waltraud Stromer (Abteilung für Anästhesiologie und allgemeine Intensivstation am Landesklinikum Horn) im Rahmen ihres Vortrages beim CHANGE PAIN compact-Symposium Anfang Oktober.

In den Jahren 2022 bis 2100 wird mit einem Anstieg der über 80-jährigen Patienten von sechs auf 15 Prozent und der über 65-jährigen von 20 auf 31 Prozent in Europa gerechnet.1 Da auch die Prävalenz schmerzhafter Erkrankungen – allen voran die Arthrose – mit dem Alter zunimmt und Faktoren wie Polypharmazie, physische und psychische Veränderungen etc. dazukommen, steigt die Herausforderung des Schmerzmanagements. Aufgrund unterschiedlicher Parameter kommt es zu Problemen in der Schmerzbehandlung geriatrischer Patienten. Die Konsequenz ist, dass der Schmerz oft nicht ausreichend erkannt wird und somit auch unterbehandelt bleibt. (Tab. 1).

Tab. 1: Verbreitete Ursachen für eine unzureichende Schmerzdiagnostik und -versorgung bei alten Patienten

 

  • Unterschätzte Schmerzintensität durch Behandler
  • „Underreporting“ durch die Betroffenen
  • Symptomenwandel
  • Multimorbidität
  • Zurückhaltende Therapie aufgrund von Polypharmazie
  • Störung der Kommunikation, insbesondere durch kognitive Einschränkungen
  • Unzureichende Schmerzmessung
  • Zu niedrige Dosierung oder zu große Dosierungsintervalle

 

Quelle: Pinter G et al. Z Gerontol Geriat (2021) 54:507-512


 

„Es existiert die Fehlvorstellung, dass der ältere Patient
viel weniger Schmerz hat als der jüngere.“

OÄ Dr. Waltraud Stromer

 

Die Unterbehandlung liegt zum einen daran, dass ältere Menschen ihren Schmerz oft nicht adäquat artikulieren können – vielleicht weil ihnen mitgeteilt wurde, dass Schmerz im Alter einfach dazugehört, dass man nicht darüber spricht, oder es besteht die Angst, in einer Pflegeeinrichtung untergebracht zu werden. Weiters verändert die Multimorbidität Nutzen und Risiko einer Schmerztherapie im Alter – ungefähr drei von vier aller Patienten über 80 sind multimorbid und mehr als zehn Prozent aller über 65-Jährigen nehmen zehn oder mehr Medikamente ein2 – und es kommt zu physischen, psychischen und biophysikalischen Veränderungen. Letztere erhöhen das Risiko möglicher Nebenwirkungen einer medikamentösen Schmerztherapie (Tab. 2).

 

Tab 2: Biophysikalische Veränderungen mit zunehmendem Alter

Organfunktion

Veränderung im Alter

Klinische Konsequenz

Gastrointestinaltrakt

Verlangsamte Magenentleerung und Peristaltik, veränderte Blutversorgung des Gastrointestinaltrakts

Erhöhtes Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen, geänderte Resorptionsgeschwindigkeit

Verteilung

Verringerung des Gesamtkörperwassers, Abnahme von Muskelgewebe, gesteigertes Körperfett, Verringerung der Konzentration von Plasmaproteinen

Verringerte Verteilung von wasserlöslichen Medikamenten, Akkumulation von fettlöslichen Medikamenten, Gesteigerte Konzentration nichtgebundener Medikamente, Verlängerung der Halbwertszeit von fettlöslichen Medikamenten, erhöhtes Risiko für Medikamenteninteraktionen

Metabolisierung über die Leber

Reduzierter Blutfluss durch die Leber, Verringerung der Konzentration von Plasmaproteinen; die Oxidation kann reduziert sein

Veränderter First-Pass-Effekt, verlängerte Halbwertszeit, Polypharmazie und Einfluss auf das Cytochrom-P450-System

Renale Elimination

Abnahme des renalen Blutflusses, der glomerulären Filtration und der tubulären Sekretion

Reduzierte Ausscheidung von Medikamenten mit Akkumulation und längerer Wirkdauer

Pharmakodynamisch

Reduzierte Opioid-Rezeptordichte, erhöhte Opioid-Rezeptoraffinität

Gesteigerte Empfindlichkeit für die therapeutischen und die unerwünschten Arzneimittelwirkungen

Quelle: Stromer W. Schmerznachrichten Vol 2, 2017, S.10-15

 

 

„In der medikamentösen Behandlung geriatrischer Patienten gilt:
start low, go slow.“
OÄ Dr. Waltraud Stromer

 

Geriatrisches Assessment

Die Voraussetzung für die Selbstständigkeit im Alter ist Muskelkraft, Balance, Standfestigkeit, Beweglichkeit, Ausdauer, Gehfähigkeit und geistige Aktivität. Das ist das Ziel einer balancierten multimodalen, interdisziplinären Schmerzbehandlung. Je zuverlässiger die Schmerzbeurteilung erfolgt, desto effektiver ist die Schmerztherapie. Daher ist zu Beginn der Behandlung eine Bewertung zielführend, um herauszufinden, welches Behandlungskonzept erstellt werden soll, welche Medikamente für den geriatrischen Patienten passend sind und was zusätzlich benötigt wird.

Schmerzbeurteilung bei dementen Patienten

Eine Herausforderung ist die Schmerzerfassung bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen. In Österreich leiden etwa 100.000 Menschen an einer Demenz – eine Erkrankung, deren Inzidenz und Prävalenz mit dem Alter ansteigt.3 Patienten mit fortgeschrittener Demenz können ihre Schmerzen meist nicht mehr artikulieren. Sie äußern sie oft in Form von Agitiertheit oder aggressivem Verhalten.4 Es ist wichtig, den Schmerz adäquat zu behandeln, denn unzureichend behandelter Schmerz verschlechtert die Demenz!

 

  • Bei leichter Demenz: Verwendung von VAS bzw. NRS
  • Ab MMSE <15: Versuch mit Gesichterskalen (Faces Pain Scale)
  • Im fortgeschrittenen Stadium bei kommunikativ stark eingeschränkten Personen: Fremdbeobachtungsverfahren
    • Doloplus-2-Skala (www.doloplus.com)
    • Doloplus-2-Short-Skala
    • BESD Skala (Beurteilung von Schmerz bei Demenz)

 

Quelle: Pinter G et al. Wien Med Wochenschr 2010; 160: 235–46.

 

Schmerzwahrnehmung bei Demenz

Bei geriatrischen Patienten sind die Schmerzwahrnehmung, die Reizschwelle und die C-Fasern, die kontinuierlich Schmerz leiten, unverändert. Allerdings kommt es zur Reduktion der Nervenleitgeschwindigkeit sowie von Neurotransmittern und deren Rezeptoren. Auch A-Delta-Fasern, die Warnfunktion auslösen, werden langsamer. Im zentralen Nervensystem nehmen die Opioidrezeptoren ab und es kommt zur Abnahme der deszendierten Schmerzhemmung. Während die subjektive Schmerzschwelle zwischen an Demenz Erkrankten und Nichterkrankten gleich hoch ist, ist die Schmerztoleranz verzögert und die vegetative Schmerzschwelle erhöht.4

Der Weg zum Erfolg

Der Schmerz wird immer nach einem multimodalen Konzept mit den Zielen Schmerzreduktion, Erhalt der Beweglichkeit, Mobilität, autonomes Leben, Selbstständigkeit und Verbesserung der Lebensqualität therapiert. Nicht zuletzt soll die Therapie auf die Wünsche der geriatrischen Patienten ausgerichtet werden.

Am Beginn steht wie erwähnt immer das Assessment. In der Behandlung geriatrischer Schmerz-Patienten führen folgende Punkte zum Behandlungserfolg:

 

  • Identifikation und Reduktion von Polymedikation (rationale Polypharmakotherapie)
  • Nutzen-Risiko-Abwägung der Medikamente oder der Therapien
  • Einfache und übersichtliche Dosierungsschemata zur Verbesserung der Compliance und Adherence
  • Die Therapie langsam und im Beisein eines Angehörigen erklären, um Überdosierungen zu vermeiden
  • Erfolgs- und Nebenwirkungskontrolle sind von großer Wichtigkeit
  • Gezielte Rehabilitation und auch Prävention zur Festigung der Muskulatur und des Knochengerüsts
  • Für geriatrische Patienten ist Buprenorphin eine geeignete Behandlungsoption5
  • Start low, go slow bei allen Medikamenten, die zentralnervöse Nebenwirkungen verursachen können

 

 

Beispiel aus der Praxis:

Patienten über 65 Jahren mit NSAR in der Medikation verlangen erfahrungsgemäß auch ein PPI. Die Problematik, dass der Patient den PPI vielleicht nicht einnimmt, kann mit einem Kombinationspräparat aus Esomeprazol und Naproxen umgangen werden. Esomeprazol wird vor Naproxen freigesetzt. Daher tritt die protektive Wirkung ein, bevor Naproxen zu wirken beginnt, und das Ulcus-Risiko im gastralen Bereich kann reduziert werden. Die Einnahme erfolgt zweimal täglich vor dem Essen.6


Quelle: Vortrag Dr. Waltraud Stromer, Past President der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), Stellvertretende Vorsitzende der Sektion Schmerz der ÖGARI, Abteilung für Anästhesiologie und allgemeinen Intensivstation am Landesklinikum Horn, Konsiliarärztin am David Institut Krems am 6. Oktober 2023

Referenzen

  1. Eurostat (2019). EUROPOPO2019 - Population projections 2019-2100 in: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=People_in_the_EU_-_population_projections&oldid=497115#Ageing_society
  2. Schmader K et al. Mayo Clin Proc. 2010; 85, S 26-32.
  3. Österreichische Alzheimer Gesellschaft; in http://www.alzheimer-gesellschaft.at/informationen/zahlen-statistik/
  4. Stromer W. Schmerznachrichten Vol 2, 2017, S.10-15
  5. Davis MP. J Support Oncol 2012;10 (6), S 209-219.
  6. Fachinformation Vimovo®, Mai 2023.

 

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Vimovo 500 mg/20 mg Tabletten mit veränderter Wirkstofffreisetzung Pharmakotherapeutische Gruppe: Naproxen und Esomeprazol ATC Code: M01AE52 Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede Tablette mit veränderter Wirkstofffreisetzung enthält 500 mg Naproxen und 20 mg Esomeprazol (als Magnesium Trihydrat). Sonstiger Bestandteil mit bekannter Wirkung: Vimovo enthält 0,02 mg Methyl-para-hydroxybenzoat und 0,01 mg Propyl-para-hydroxybenzoat (siehe Abschnitte 4.4 und 6.1 der Fachinformation). Weitere sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat, Povidon K90, Silizium, kolloidal wasserfrei. Filmschicht: Carnaubawachs, Glycerolmonostearat 40-55, Hypromellose Typ 2910 (3mPas, 6mPas und 50mPas), Eisenoxid E172 (gelb), Macrogol 8000, Methacrylsäureethylacrylat Copolymer (1:1) Dispersion 30%, Methyl-para-hydroxybenzoat E218*, Polydextrose Polysorbat 80, Propyl-para-hydroxybenzoat E216*, Natriumdodecylsulfat, Titandioxid E171, Triethylcitrat. Drucktinte: Hypromellose Typ 2910 (6 mPas), Eisenoxid E172 (schwarz), Propylenglycol. *Diese Konservierungsmittel sind in einer Filmbeschichtungs-Mischung enthalten und sind im Endprodukt nur in sehr geringen, nicht-funktionellen Dosierungen enthalten. Anwendungsgebiete: Vimovo ist indiziert zur symptomatischen Behandlung von Arthrose, rheumatoider Arthritis und ankylosierender Spondylitis bei Erwachsenen mit Risiko zur Entstehung von gastrischen und/oder duodenalen Ulcera, die durch nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) hervorgerufen werden können, und bei welchen eine Behandlung mit geringeren Dosierungen Naproxen oder anderer NSAR als nicht ausreichend erachtet wird. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe, substituierte Benzimidazole oder einen der in Abschnitt 6.1 der Fachinformation genannten sonstigen Bestandteile. Asthma, Urticaria oder allergische Reaktionen, in Folge der Anwendung von Acetylsalicylsäure oder anderen NSAR in der Anamnese (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation). Drittes Trimester der Schwangerschaft (siehe Abschnitt 4.6 der Fachinformation). Schwere Leberfunktionsstörungen (z. B. Childs-Pugh C). Schwere Herzinsuffizienz. Schwere Nierenfunktionsstörungen. Aktive peptische Ulzerationen (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation, gastrointestinale Effekte Naproxen). Gastrointestinale Blutungen, zerebrovaskuläre Blutungen oder andere Blutungsstörungen (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation, Hämatologische Effekte). Vimovo darf nicht gemeinsam mit Atazanavir und Nelfinavir angewendet werden (siehe Abschnitt 4.5 der Fachinformation). Inhaber der Zulassung: Grünenthal GmbH, A-2345 Brunn am Gebirge Rezeptpflicht / Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig Stand der Information: 05/2023 Informationen zu den Abschnitten besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie den Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.

Transtec® 35 Mikrogramm/h - transdermales Pflaster: Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein transdermales Pflaster enthält 20 mg Buprenorphin. Wirkstoffhaltige Fläche: 25 cm2. Nominale Abgaberate: 35 Mikrogramm Buprenorphin pro Stunde (über einen Zeitraum von 96 Stunden).

Transtec® 52,5 Mikrogramm/h - transdermales Pflaster: Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein transdermales Pflaster enthält 30 mg Buprenorphin.

Wirkstoffhaltige Fläche: 37,5 cm2. Nominale Abgaberate: 52,5 Mikrogramm Buprenorphin pro Stunde (über einen Zeitraum von 96 Stunden).

Transtec® 70 Mikrogramm/h - transdermales Pflaster: Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein transdermales Pflaster enthält 40 mg Buprenorphin.

Wirkstoffhaltige Fläche: 50 cm2. Nominale Abgaberate: 70 Mikrogramm Buprenorphin pro Stunde (über einen Zeitraum von 96 Stunden).

Sonstige Bestandteile: Adhäsive Matrix (Buprenorphin enthaltend): [(Z)-Octadec-9-en-1- yl]oleat, Povidon K90, 4-Oxopentansäure, Poly[acrylsäure-co-butylacrylat-co-(2-ethylhexyl)acrylat-co-vinylacetat] (5:15:75:5), vernetzt. Adhäsive Matrix (ohne Buprenorphin): Poly[acrylsäure-co-butylacrylat-co-(2-ethylhexyl)acrylat-co-vinylacetat] (5:15:75:5), nicht vernetzt. Trennfolie zwischen den beiden adhäsiven Matrices mit/ohne Buprenorphin: Poly(ethylenterephthalat)-Folie. Abdeckgewebe (rückseitig): Poly(ethylenterephthalat)- Gewebe. Abdeckfolie (vorderseitig/die adhäsive Buprenorphin enthaltende Matrix abdeckend): Poly(ethylenterephthalat)-Folie, silikonisiert, einseitig mit Aluminium beschichtet. Anwendungsgebiete: Mäßig starke bis starke Tumorschmerzen sowie starke Schmerzen bei ungenügender Wirksamkeit nicht-opioider Analgetika. Transtec ist für die Behandlung akuter Schmerzen nicht geeignet. Gegenanzeigen: bekannte Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff Buprenorphin oder einen der sonstigen Bestandteile; opioidabhängige Patienten und zur Drogensubstitution; Krankheitszustände, bei denen eine schwergradige Störung des Atemzentrums und der Atemfunktion vorliegt oder sich entwickeln kann; Patienten, die MAO-Hemmer erhalten oder innerhalb der letzten 2 Wochen erhalten haben; Patienten mit Myasthenia gravis; Patienten mit Delirium tremens; in der Schwangerschaft. Pharmakotherapeutische Gruppe: Opioide, Oripavin-Derivate. ATC-Code: N02AE01. Inhaber der Zulassung: Grünenthal GmbH, A-2345 Brunn am Gebirge. Verschreibungspflicht / Apothekenpflicht: Suchtgift, Abgabe nur auf Suchtgiftrezept, apothekenpflichtig. Informationen zu Besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information: April 2021